Schon Linkaufbau oder noch PR? – Warum Googles Politik eine Sackgasse ist
Das Anti Webspam Team von Google um deren Propagandaminister Matt Cutts ist zur Zeit mal wieder ziemlich aktiv. Ihr Ziel ist es zu verhindern, dass Webseiten unberechtigter Weise gute Rankings in den SERPs erzielen, indem sie sich durch Manipulation besser darstellen als sie sind. Klingt einfach, ist aber kompliziert. Denn was bedeutet überhaupt Manipulation? Für Google all das, was in ihren Webmaster Richtlinien ausgeschlossen ist. Manche sehen in all diesen Dingen schon Black Hat SEO. Es gibt jedoch einen großen Graubereich, der schon allein durch die Interpretationsmöglichkeiten entsteht, die die Google Richtlinien lassen. Und Google interpretiert selbst nach Lust und Laune.
Matt Cutts sagt Gastbeiträge sind SEO und rudert zurück
Vor etwa einem halben Jahr, genauer im August letzten Jahres, habe ich hier über Googles Richtlinienänderungen im Hinblick auf Linktauschprogramme und insbesondere Gastbeiträge geschrieben. Die Änderung in den Guidelines lautet in etwa wie folgt: „Artikel-Marketing im großen Stil oder das Posten von Kampagnen als Gast mit Ankertextlinks, die viele Keywords enthalten“ ist nicht erlaubt. Meine Schlussfolgerung damals lautete, dass Google nicht generell etwas gegen Gastbeiträge hat, aber eben darauf achtet, dass dies nicht im großen Stil zum Linkaufbau geschieht, da man dahinter „verbotenen“ Linktausch oder gar Linkkauf vermuten könnte. Und erst kürzlich kam wieder Unruhe zu dem Thema auf, als Cutts in seiner Eigenschaft als Google-Propagandaminister und Schreckgespenst wieder Gastbeiträge an den Pranger stellte. In einem Beitrag auf seinem eigenen Blog (auf den ich mich im Verlauf häufig beziehe) hat er davor gewarnt, Gastbeiträge als Linkbuilding Maßnahme zu verwenden. Im Detail geht es vor allem darum, dass es eine professionelle „Guestbloggingindustrie“ gibt, die unter Umständen Geld dafür bezahlt, einen Artikel auf einem beliebten Blog zu veröffentlichen. Dabei geht es dann in erster Linie darum, in dem Beitrag einen oder zwei Follow Links unterzubringen. Als Beispiel nennt Matt Cutts dabei eine Anfrage, die er selber erhalten hat. Offensichtlich scheint Guestblogging als SEO-Methode in den USA noch weiter verbreitet zu sein als in Deutschland, wogegen Google offenbar was unternehmen möchte.
Das Problem dabei ist nur: Liegt der Hauptsinn von Gastbeiträgen tatsächlich in der Suchmaschinenoptimierung? Wohl eher nicht. Vielmehr sind sie doch ein altbewährtes Mittel der Public Relations und des Marketings. Einerseits aus Sicht des Schreibenden, der damit sich selbst und sein Unternehmen bekannter machen möchte, andererseits vielleicht auch für den Blog auf dem geschrieben wird, der sich einen Reputationsschub von namhaften Gastautoren verspricht. Und wenn ich Reputation sage, dann meine ich echte, menschliche Reputation der Leser und nicht das, was Google darunter versteht. Links sind dabei nunmal die im Internet gängige Empfehlung, die so sinnvoll sind, dass man darauf sogar Relevanzkriterien für Suchmaschinen aufbauen kann. Hat Google das vergessen? Das könnte man fast meinen, wenn man den Gestus in Matt Cutts Aussage sieht: „So stick a fork in it: guest blogging is done; it’s just gotten too spammy.“ Und gerade dieses Statement hat für eine Menge Aufregung gesorgt. Denn es war sehr unglücklich gewählt, sodass auch alle Relativierungen im sonstigen Text leicht verloren gehen. Aber auch ohne die Ergänzung war die Aufregung nur halb berechtigt, denn Gastbeiträge können auch weiterhin sinnvoll sein, Linkspam in ihnen hingegen nicht.
Google geht gegen Linknetzwerke vor
Das Anti-Webspam-Team von Google ist zu Anfang diesen Jahres ein wenig hyperaktiv und so sorgte Matt Cutts mit seinem Tweet über die Aufdeckung eines französischen Linknetzwerks für noch mehr Aufregung. Kurz danach folgte das martialische Statement: „today France; Germany soon“
@gaberivera today France; Germany soon.
— Matt Cutts (@mattcutts) January 29, 2014
Was immer das bedeutet, es ist mehr oder weniger nichts Neues. Das Kaufen von Links und erst recht aus großen Linknetzwerken ist schon lange „gefährlich“, so dass man immer damit rechnen muss, von Google abgestraft zu werden. Wer solche Links hat und seine Website und den Suchmaschinentraffic gerne mag, der sollte ernsthaft darüber nachdenken diese Links abzubauen. So lautet nicht nur unsere Empfehlung, sondern ebenso die von z.B. RankingCheck und Seokratie. Eine kleine Randnotiz: Die Aktion Googles zeigt doch, dass Links noch immer nicht so unwichtig sind, wie mancher sie gerne mal sieht.
Googles Abschreckungspolitik: Eine Sackgasse
Diese beiden Ereignisse sind Beispiele für die Methoden, mit denen Google spammiges SEO bekämpfen möchte. Ganz oben auf der Liste: Abschreckung. Und Matt Cutts ist der Großinquisitor. Oft hilft es aber schon, die Aussagen auf ihren Substanzgehalt zu überprüfen. Das Thema Gastartikel ist ein gutes Beispiel, denn eine wirklich konkrete Aussage wird dazu nicht getroffen. Das Problem sind die eingangs erwähnten, ungenauen Definitionen zu Linktausch und Linkkauf. Um all das drehen sich die Angriffe von Google, auch in Bezug auf Gastartikel. Das führt zu einer gewissen Willkür oder zumindest dem Gefühl davon. In Deutschland spricht man daher schon von einer Linkangst unter den Seitenbetreibern, die kaum noch Links setzen wollen. Dadurch unterbleiben selbst sinnvolle Links, die für das Internet und die Funktionen Googles nützlich sind. Im Fall der Gastartikel ist Matt Cutts über das Ziel hinausgeschossen. Wenn man sich nicht so sehr mit dem Thema befasst, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Google Gastartikel generell ablehnt, sie für eine SEO Maßnahme hält. Aber auch wenn das vielleicht das Fernziel von Google ist, noch dreht sich nicht das ganze Internet um sie. Es gibt tausend verschieden Gründe für Gastartikel, Branding und Reputation sind nur einige davon. Mehr Reichweite und Traffic sind andere, und das kann man auch ohne SEO erreichen, nämlich indem der Link das macht, wozu er da ist: Er verhilft Leuten auf die verlinkte Seite zu navigieren. Ein Link der Traffic bringt ist nach wie vor ein guter Link.
Was folgt jedoch aus solchen Äußerungen von Matt Cutts? Die Leute wollen keine Gastartikel mehr schreiben, vor allem aber diejenigen, die das eigentlich ohne Hintergedanken an Links und SEO machen. Letztlich musste Matt Cutts seinen Artikel um einen zusätzlichen Abschnitt erweitern, in dem er ein bisschen zurückrudert und sogar zugibt, dass es so etwas wie Gastbeiträge schon vor Google gab, und das sie auch durchaus sinnvolle Zwecke erfüllen – abseits von SEO.
Googles Methoden machen SEO unverzichtbar
Trotz allem führt Googles Abschreckungs- und Abstrafpolitik zu großer Verunsicherung, gerade unter Leuten die sich mit SEO nicht besonders auskennen. Ruckzuck hat man vollkommen unbeabsichtig ein „unnatürliches Linkprofil“ und die Seite stürzt ab. Man ist von Googles Willkür abhängig, denn es gibt keine Kontrolle über die Links die auf die eigene Seite gesetzt werden. Und wie Andrew Girdwood in einem Gastbeitrag (!) auf the drum.com sehr schön zeigt, führt das zu Folgendem: Now you have to do SEO, thanks to Google. Und so ist es in der Tat, denn SEOs sind die Spezialisten, die noch halbwegs durch das Google-Minenfeld durchblicken. Denn das mit dem guten Content erkennen klappt ja offenbar doch noch nicht so ganz, sonst wären solche Artikel wie heute unnötig. Und, nebenbei bemerkt: Eigentlich ist es vollkommen unnatürlich, die Kontrolle über alle eingehenden Links zu haben.
Weder PR noch Online Marketing ist heute noch isoliert zu betrachten. Alles beeinflusst alles. Als Unternehmen sollte man sich überlegen, was für einen wichtig ist und danach sollte man Handeln. Linkaufbau ist schließlich vielmehr als nur SEO. Da gehört auch ein ganz großes Stück PR dazu, und die muss nicht nur Links bringen, sondern auch Traffic, Ansehen und Aufmerksamkeit. Google sieht das jedoch ganz gerne anders, überspitzt ist potentiell jeder Link ein unnatürlicher SEO Link. Die Grenzziehung ist unscharf. Das zeigt umso mehr, dass man sich bemühen sollte, nicht von Google abhängig zu sein.
Update 07.02.2014:
Keine zwölf Stunden nach Erscheinen dieses Artikels twitterte Matt Cutts Folgendes:
This week we took action on a German agency's link network/clients. More to come in Germany.
— Matt Cutts (@mattcutts) February 7, 2014
Es ist noch nicht klar, wer genau davon betroffen ist. Wir aktualisieren den Artikel weiter, wenn es in den nächsten Tagen Neuigkeiten gibt.
Update 25.02.2014:
Matt Cutts‘ Verkündigung von angeblichen Aktionen gegenüber einem deutschen Linknetzwerk waren wohl etwas voreilig. O-Ton: „War doch nicht so dringend, deswegen machen wir jetzt erstmal was anderes, vielleicht demnächst.“
Not done with Germany yet, but we just took action on two Polish link networks + a reminder blog post: http://t.co/p4tHWx5vHF
— Matt Cutts (@mattcutts) February 24, 2014
Effekt in Deutschland: SEOs werden noch einmal aufgeschreckt, wo doch einige schon dachten, dass der Sturm ausgeblieben ist. Das kann auch Kalkül sein, die Verunsicherung steigt jedenfalls wieder…
Dass Google seine Kriterien überarbeiten muss, steht schon länger fest und ist richtig. Ob dabei allerdings eine korrekte Differenzierung geschieht, ist höchst fraglich. Bspw. wurde unsere Berliner Website (http://www.kurtz-detektei-berlin.de) aufgrund eines Programmierungsfehlers auf einem fremden Block fälschlich als Link-Buyer eingestuft und hart abgestraft. Die Algorithmen weisen eine hohe Fehleranfälligkeit auf. Diese Druck-Tweets sind nichts anderes als überflüssig, denn uns alle verbindet nun mal die Suche nach dem optimalen Google-Ergebnis. Daran ist nichts verwerflich.
Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass kein Mitbewerber eine Chance hat, sich gegen Google durchzusetzen.