Die Absprungrate in Google Analytics verstehen, manipulieren und optimieren

Absprungrate in Google Analytics verstehen und optimieren

Die Metrik Absprungrate ist in fast jeder Analytics-Auswertung und Dashboards zu finden und wird als gegeben genommen. Doch die Wenigsten können hier auf Anhieb sagen, was genau die Absprungrate ist, wie diese berechnet wird und wann sie manipuliert wurde. Warum sollte man sich auch mit einer einzigen Metrik so beschäftigen? 

Es ist nunmal so: Wenn ihr oder jemand anderes Auswertungen/Dashboards auf Basis von Google Analytics Daten erstellt, sollten die verwendeten Metriken verstanden werden, da sonst falsche Rückschlüsse gezogen werden. Auch wenn wir alle wissen: Je niedriger die Absprungrate, desto besser! .. oder?

Was ist die Absprungrate in Google Analytics?

Die Absprungrate, oder der häufig genutzte englische Begriff Bounce Rate, ist der Prozentsatz aller Nutzer, die auf einer Seite eingestiegen sind und innerhalb der Sitzung keine weitere Seite auf der Webseite besucht haben. Die Einstiegsseite ist somit die Ausstiegsseite, ohne Besuch von weiteren Seiten.

Wie berechne ich die durchschnittliche Absprungrate einer Webseite oder einzelner Seiten?

Für die Berechnung der durchschnittlichen Absprungrate für eine Seite (Seite X) benötigen wir lediglich die Anzahl aller Sitzungen, in denen Seite X die Einstiegsseite war und die Anzahl aller Sitzungen, in denen Seite X auch die Ausstiegsseite war.

Gesamtanzahl Sitzungen bei denen die Seite X Einstieg- und Ausstiegsseite war


Gesamtanzahl Sitzungen bei denen die Seite X die Einstiegsseite war

Stellen wir uns einen Blogartikel vor, welcher am Tag von 100 Nutzern besucht bzw. gelesen wurde. Für diesen Tag wollen wir nun die Absprungrate berechnen. 

Wir wissen, dass 70 Nutzer nach diesem Blogartikel noch einen weitere Artikel in dieser Sitzung gelesen haben. Die übrigen 30 Nutzer verließen die Seite vom Blog Artikel, nachdem sie diesen gelesen haben, und gehen zurück in die Suchergebnisse oder schließen das Browserfenster. Die Berechnung wäre dann: 30 / 100 = 0,3. In Prozent wäre dies dann 0,3 * 100 = 30% .

Die Absprungrate von dem Blogartikel wäre hier somit 30% an diesem Tag.

Wie aussagekräftig ist die Absprungrate?

Prinzipiell klingt die Absprungrate nach einer Metrik, die sehr leicht zu berechnen ist.

Aber was wäre, wenn wir in dem vorangegangenen Szenario eine Absprungrate von 50% statt 30% hätten und das unter denselben Bedingungen? 

Die Frage mag etwas seltsam klingen, aber folgendes darf nicht vergessen werden: Analytics zählt einen Webseitenbesuch ebenfalls als “Absprung”, wenn der Webseitenbesucher länger als 30 Minuten inaktiv ist. Inaktiv bedeutet hier, dass der Nutzer nicht mit der Webseite interagiert – er besucht innerhalb von 30 Minuten keine weitere Seite und löst kein Event aus. 

Kurzum: Bei einer 30 minütige Sitzung ohne Aktion wird die Sitzung beendet und dies als Ausstieg (!) gewertet. Passiert das auf der Einstiegsseite ist es ein Absprung – Ansonsten ein normaler Ausstieg.

Zurück zum 50%-Szenario: Wenn 20 von den 70 Nutzern, welche nach dem Einstieg auf dem Blog-Artikel noch eine weitere Seite besuchen, länger als 30 Minuten in einem anderen Tab etwas lesen, zählen diese 20 Nutzer ebenfalls als abgesprungene Nutzer. Die Besuche einer zweiten Seite zählen somit als neue Einstiege.

Was ist eine gute Absprungrate?

Eine häufig gestellte Frage. Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Pauschal kann keine “normale” Absprungrate für alle Webseiten definiert werden. Hier hängt es sehr am Seitentyp bzw. der Art des Contents und an den Zielen, die man mit der Seite verfolgt. Zudem muss beachtet werden, dass eine hohe Absprungrate nicht direkt etwas schlechtes ist.

Springen wir zurück zu unserem Blogartikel. Hier ist eine Absprungrate von 30% sehr niedrig und auch unrealistisch! Eine realistische Absprungrate wäre eher 70-90%. Verweist man im Blog-Artikel über interne Links oder Artikel-Teaserboxen o.ä. auf weitere Artikel, ist eine Absprungrate von rund 50-60% machbar.

Betrachten wir hingegen die Startseite eines Onlineshops. Hier wird die Absprungrate immer sehr niedrig sein und zwischen 10-25% liegen. Der Grund der hohen Diskrepanz ist sehr naheliegend: Die Nutzerintention

Nutzer eines Onlineshops wollen etwas kaufen oder sich zumindest informieren (navigationale und transaktionale Intention). Steigen diese auf der Startseite ein, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mehr als eine Seite besuchen, sehr hoch. Nutzer, welche über eine entsprechende Suchanfrage auf einem Blog-Artikel einsteigen, wollen nunmal die Informationen aus dem Artikel (informationale Intention). Die Nutzerintention ist damit in den meisten Fällen befriedigt und der Nutzer verlässt (zufrieden) die Webseite.

Beeinflusst eine hohe Absprungrate mein Ranking?

Das Google zahlreiche Faktoren in die Bewertung jeder Seite mit einbezieht, ist bekannt. Inwieweit Absprünge hier mit einbezogen werden und wie hoch die Metrik als Rankingfaktor gewichtet ist, jedoch nicht. 

Absprünge zählen wie Verweildauer oder Anzahl besuchter Seiten zu den Nutzersignalen einer Webseite. Es gibt positive und negative Nutzersignale. Für die Suchmaschine ist ein relevantes Nutzersignal eher, ob ein Nutzer mit seinem Suchergebnis zufrieden ist. Kommt er beispielsweise nach dem Klick auf ein Suchergebnis, schnell wieder zurück in die Suchergebnisse, kann das darauf hindeuten, dass er nicht gefunden hat was er wollte. Die Absprungrate kann darüber nicht wirklich gut Auskunft geben (Back to SERP Rate).

Wie senkt man die Absprungrate?

Eine niedrige Absprungrate ist in vielerei Augen positiv zu betrachten. Der Grund: Als Webseitenbetreiber möchte man, dass die Nutzer sich möglichst viel auf der Webseite bewegen, also mehr als nur eine Seite sich anschauen. Dass eine niedrige Absprungrate nicht immer genau dieses Ziel wiederspiegelt, haben wir ja bereits gelernt. Dennoch ist es nicht verkehrt über eine Senkung der Absprungrate nachzudenken. 

Folgende zwei Ziele verfolgt man hierbei:

  1. Es sollen nur die Nutzer als “Abspringer” gewertet werden, die sich nicht mit dem Content der Seite beschäftigt haben.
  2. Die Nutzer sollen dazu bewegt werden, mehr als nur die Einstiegsseite zu besuchen.

Die Absprungrate kann einerseits über Content- und Strukturanpassungen oder über Events/Ereignisse gesenkt werden – wobei die Event-basierte Lösung häufig als Manipulation der Absprungrate gewertet werden kann. 

Als ganzheitliche und saubere Lösung würde ich immer zur ersten Lösung tendieren. Hierzu hat Neil Patel einen ausführlichen Artikel über die zahlreiche Methoden zur Reduzierung der Absprungrate geschrieben. 

Im folgenden gehe ich auf die “Manipulation” der Absprungrate mittels Google Tag Manager Events ein und wann aus Manipulation eine Optimierung wird.

Manipulation der Absprungrate

Beim Erstellen eines Ereignisses gibt es das teils wenig beachtete Drop-Down “Treffer ohne Interaktion”. Standardmäßig ist dieses auf “Falsch” gestellt. In der Standardeinstellung heißt das, dass dieses Ereignis sich u.a. auf die Absprungrate auswirkt, da es sich beim Auslösen des Ereignisses um eine Interaktion handelt. Und in den meisten Fällen ist dies auch richtig. 

Doch gibt es auch Ereignisse, wo sich die Standardeinstellung nicht bewährt. Möchten wir beispielsweise wissen, bis wohin die Nutzer scrollen und in einem Ereignis die Scrolltiefe zurück bekommen und das ab 10% der Seite (Event feuert, wenn Nutzer die ersten 10% der Seite gesehen haben), muss hier sich die Frage gestellt werden: Hat der Nutzer wirklich interagiert, nur weil er 1/10tel der Seite gesehen hat? 

Bedenken wir, dass das bei einem langen Blogartikel auf einem Mobilgerät relativ viel Scrollen bedeuten kann. Doch auf Desktop sind die 10% möglicherweise schon ab dem Seitenaufruf sichtbar. Hier würde das Event schon beim Seitenaufruf feuern ohne jegliche Interaktion. Also erst das Ereignis bei 50% feuern? Oder doch erst, wenn der Nutzer bis ganz unten gescrollt hat? 

Schon beim Erstellen des Events muss daher geklärt werden, was als Nutzerinteraktion gewertet wird und sich auf die Absprungrate auswirken wird. Kommt man zu dem Schluss, dass es sich um keine Interaktion handelt und man dennoch das Ereignis getrackt haben möchte, wählt man im Drop-Down “Treffer ohne Interaktion” – “Wahr” aus.

Je niedriger die Absprungrate, desto besser?

Viele Webseitenbetreiber verfälschen, ohne es zu wissen, die Absprungrate ihrer Webseite. Hat eine Webseite eine durchschnittlichen Absprungrate von unter 30%, würde ich etwas genauer hinzuschauen. Hier werden wahrscheinlich Events gefeuert, ohne dass der Nutzer wirklich agiert hat.

Sollte ich die Absprungrate manipulieren?

Man sollte sich fragen: Ist eine niedrige Absprungrate denn zielführend? Was bezwecke ich damit die Absprungrate zu manipulieren? Die Erfahrung zeigt, dass der Druck hier oft von der Geschäftsleitung, Kunden oder dem Management kommt. Sie messen die Qualität und den Erfolg einer Webseite an verschiedenen Metriken, u.a. der Absprungrate, ohne sich der Bedeutung bewusst zu sein.

Statt die Absprungrate in Google Analytics künstlich zu senken, kann man den Fragenden lieber erklären, wie die Absprungrate berechnet wird und warum eine hohe Absprungrate je nach Seitentyp nicht negativ zu werten ist. In diesem Fall braucht man sich gar nicht soweit mir ihr zu beschäftigen.

Möchte man dennoch zeigen, dass bestimmte Maßnahmen an der Webseite zu einer längeren Verweildauer geführt haben und nicht mehr 80% der Nutzer, sondern nur noch 50% wirklich “abgesprungen” sind, gibt es hier eine elegante Möglichkeit.

Sinnvoller Einsatz von Ereignissen zur Senkung der Absprungrate

Dass Ereignisse die Absprungrate beeinflussen, ist per se ja nicht falsch. Doch sollten es Events sein, die auch Interaktionen mit der Webseite widerspiegeln. 

Weniger sinnvoll wäre beispielsweise Scroll Tracking-Events (Event feuert beim Erreichen von 20%, 40%, etc. der Seite), da es ebenso sein kann, dass ein Nutzer auf der Seite einsteigt und kurz etwas hoch und runter scrollt. Oder die Seite ist so kurz, dass beim kurzen Scrollen schon das Ende der Seite erreicht ist. Und was bringt es einem zu wissen, dass 10 von 100 Nutzern bis ans Ende der Seite gescrollt haben – Es ist kein Garant, dass diese sich auch mit dem Inhalt der Seite beschäftigt haben. 

Also Scroll Tracking aus dem Werkzeugkasten verbannen? Muss nicht sein – Es geht nur um die Aussagekraft. Auf Blogs mit längeren Artikeln hat Scroll Tracking in Kombination mit der verbrachten Zeit auf der Seite seine Daseinsberechtigung. Ziel ist es, dass Nutzer, die zwar nur die eine Seite besuchen, aber den Artikel wirklich gelesen haben, nicht zu den Abspringenden dazu zu zählen.

Tatsächlich kann dies als Optimierung der Messung der Absprungrate gewertet werden, da diese Nutzer nicht abgesprungen sind ohne etwas zu machen. Simo Ahava hat hierzu eine Methode vorgestellt, in der sowohl die Mindestscrolltiefe erreicht werden muss, als auch eine Mindestverweildauer

Eine leicht abgeänderte Methode wäre anhand der Anzahl der Wörter auf der Seite die Lesedauer zu berechnen und in Kombination mit der maximalen Scrolltiefe ein Event zu feuern. Michael Gandke hat in seinem Blog eine Anleitung dazu geschrieben.

Absprungrate über 100% – geht das?

Im Rahmen dieses Blog-Artikels bin ich über den Beitrag von Markus Baersch gestolpert, in dem er anhand eines Experiments zeigt, wie eine Absprungrate von 200%, 300% oder mehr entstehen kann. Der Vollständigkeit Halber gehört dieser Fall auch behandelt, doch möchte ich seinen Blog-Artikel jetzt nicht abschreiben. Wer sich dafür interessiert, kann ich demjenigen den Artikel sehr empfehlen!

Und das Fazit:

Die Absprungrate kann eine wichtige Kennzahl in Google Analytics sein. Sie kann einem dabei helfen eine Aussage über die Erwartungserfüllung der jeweiligen Seiten zu treffen – vorausgesetzt: Sie wurde nicht unwissentlich manipuliert. Auch gibt sie Auskunft darüber, welche Seiten mehr Aufmerksamkeit benötigen. 

Die Höhe der Absprungrate kann jedoch nur kontextuell betrachtet und analysiert werden. Keinem ist geholfen, wenn die Absprungrate auf Teufel komm raus künstlich und ohne Sinn oder Verstand gesenkt wird. Darum beim Ereignis-Tracking immer die Frage im Hinterkopf behalten, ob es sich bei dem Ereignis wirklich um eine Nutzerinteraktion handelt oder nicht. Und vergessen wir nicht – Die Absprungrate kann auch auf natürliche Weise optimiert werden.


Ein Herz für SEO & Webanalyse ... und ich bin Veganer :D

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