Filter Bubble: Der User in der Blase II

Heute komme ich zum nächsten Teil unserer Reihe zur Filter Bubble. In diesem Teil werde ich darauf eingehen, wie die Filter Bubble in Google entsteht, bevor ich dann im nächsten Beitrag zu Facebook kommen werde.

Jetzt weise ich aber erst einmal wieder auf unsere Verlosung hin, denn wie ich im letzten Beitrag bereits geschrieben habe, verlosen wir drei Exemplare des Buches „Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden“
gegen einen Kommentar, Tweet oder Link zu einem der Artikel aus dieser Reihe.

Die Entwicklung: Googles personalisierter Filter

Personalisierung gibt es bei Google schon länger. Die Personalisierung im Zusammenhang mit der Platzierung von Anzeigen soll hier nicht zur Sprache kommen. Hier geht es um die Personalisierung der Suchergebnisse. Eingeführt wurde sie anscheinend Anfang 2007, zumindest findet sich vom 2. Februar 2007 ein Eintrag im googleblog, in dem unter anderem Folgendes steht:
„We’re constantly trying to improve the quality of your search results. One of the ways we’re tackling this is by personalizing your search experience. After all, you’re the only one who actually knows what you’re really looking for.”
Und obwohl wir ja eigentlich nur selbst wissen, was wir wirklich suchen, versucht Google es für uns herauszufinden:
„Our goal with these types of technologies is to make your Google search experience better based on what we know about your preferences, without you having to do any extra work.”

Diese erste Personalisierung der Google SERPs stand zu diesem Zeitpunkt nur angemeldeten Usern offen. Sie konnte auch wieder abgestellt werden. Am 12. April 2009 erschien dann ebenfalls im googleblog ein Artikel mit Namen „Personalized Search for everyone” und die ersten beiden Sätze lauteten:
„Today we’re helping people get better search results by extending Personalized Search to signed-out users worldwide, and in more than forty languages. Now when you search using Google, we will be able to better provide you with the most relevant results possible.”

Von da an begann Google also mit Hilfe von Cookies auch die Suchergebnisse von nicht angemeldeten Usern zu personalisieren. Auch das konnte man ausschalten. Wenn man denn überhaupt wusste, dass es da was auszuschalten gab. Denn wer liest schon den googleblog. Dort findet man auch ein schönes Youtube Video, in dem zwei sympathische Google-Mitarbeiter die Vorteile der personalisierten Suchfunktion erläutern und auch erklären, wie man sie ausschalten kann, rechts oben in der Leiste nämlich. Ich hab’s ausprobiert: Es geht nicht mehr, was nichts mit der Designänderung zu tun hat – die Möglichkeit wurde abgeschafft. Man kann es also nur noch umgehen, indem man keine Cookies zulässt. Angemeldete User haben noch dazu die Möglichkeit das Webprotokoll zu aktivieren, das die Personalisierung verstärkt. Diese Funktion ist ihnen aber selbst überlassen.

Wie wirken sich die Filter von Google auf die Suchergebnisse aus? Was wird daran kritisiert?

Die Vorteile der Personalisierung liegen offenbar auf der Hand. Man muss sich nicht mühsam selbst suchen was einem gefällt, denn das passiert automatisch. Als Beispiel wird oft sowas angeführt wie im googleblog:
„For example, I (Sep) am an avid Miami Dolphins fan (no joke). Searching for [dolphins] gives me info about my favorite football team, while a marine biologist colleague gets more information about her salt-water friends.”

Edeka könnte sich auch überlegen Google an die Wursttheke zu stellen, zumindest in der Werbung, denn die wissen ja auch immer was man will. Und wenn ich dann dreimal Fleischwurst gekauft habe, brauch ich beim vierten Mal nur noch Wurst zu bestellen und kriege Fleischwurst. Leberwurst erhalte ich dann aber, wenn ich sie explizit verlange.

Und hier beginnt auch das Problem der Personalisierung der Google-Suche. Google ist kein Einkaufsladen wie Amazon. Vielmehr ist es ein Informationsangebot. Die meisten User dürften sich auf die Seite begeben in der Erwartung, bei einer Suche die generell relevantesten Ergebnisse geliefert zu bekommen –  und zwar auf einer neutralen Basis. Durch die Personalisierung wird aber dieses neutrale Terrain verlassen. Auf dieses Problem hat Eli Pariser sehr gut hingewiesen.
Google hat sich schließlich zum Ziel gesetzt, jedem User die für ihn persönlich relevantesten Ergebnisse zu liefern. Dies führt dazu, dass die Zahl der Ergebnisse derselben Suche von User zu User erheblich schwanken kann. Vor allem für angemeldete User gilt das in großem Maß, wie Martin Feuz, Amthew Fuller und Felix Stalder in einem viel beachteten Experiment herausgefunden haben. Hier wurden drei Google Accounts für drei verschiedene Philosophen Kant, Nietzsche und Foucault erstellt. Mit diesen Konten wurde nach Stichworten aus ihren jeweiligen Werken gesucht, anschließend wurden die Ergebnisse untereinander und mit einem anonymen User verglichen. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Suchergebnisse sehr stark personalisiert wurden. Außerdem fanden sie heraus, dass erstens die Personalisierung sehr schnell und nicht gerade sanft stattfand, dass also schon nach wenigen Versuchsdurchläufen die Unterschiede deutlich wurden. Zweitens wurde klar: „…Google personal search does not seem to be able to make long-tail content in a substantial manner.” Wie dieses Ergebnis zu bewerten ist, wissen auch die Autoren selbst nicht so genau. Jedoch liefern sie drei mögliche Interpretationen, die hier aber nicht erklärt werden sollen (wer will kann sie jedoch auf Seite 9 des Artikels nachlesen).
Drittens zeigte sich, dass die Personalisierung gar nicht so individuell ist, wie man meinen könnte, beziehungsweise dass sie nicht ausschließlich auf der Webhistorie, also auf den vergangenen Suchergebnissen, beruht. Denn es fanden sich selbst personalisierte Suchergebnisse bei Suchbegriffen, die nichts mit den bisherigen Suchen zu tun hatten. Die plausibelste Erklärung dafür ist sicherlich, dass die User anhand ihrer Aktivität in Gruppen eingeteilt werden und bei Themen, nach denen sie vorher noch nicht gesucht haben, die für diese Gruppe relevant erachteten Ergebnisse geliefert werden.

Eli Pariser berichtet von 57 Kriterien nach denen Google die User einordnet. Es ist also kaum nachvollziehbar. Zumal viele der Google User kaum wissen dürften, dass ihre Suche vorgefiltert ist. Um nochmal zum Edeka Bild zurückzukommen: Gehe ich in den Laden, wissen die ja bereits welche Wurst ich voraussichtlich kaufen möchte. Also wird die Auslage für mich so angeordnet, dass ich am besten nur die Fleischwurst sehe, in all ihren Variationen. Schinken, Salami und Leberwurst wird an die Seite oder ganz weggeräumt. Und nicht nur das, aufgrund meiner Vorliebe für Fleischwurst werde ich in eine Gruppe eingeteilt. Danach wird der ganze Laden nach den Vorlieben dieser Gruppe geordnet, selbst wenn über mich persönlich gar keine Vorlieben bekannt sind. So verschwinden die Alternativen immer mehr, da sie für mich nicht relevant zu sein scheinen. Das Ganze wird zu einem klassischen Fall der selfullfilling prophecy.
Man sieht in der zugespitzten Form der personalisierten Welt nur noch die Dinge, die für einen relevant zu sein scheinen, oder gar die Dinge, die man zu wollen scheint. Es könnte dann so weit kommen, dass man nur noch das sieht, was „gut oder wichtig für einen ist”, allerdings entscheidet man dies nicht selbst. Alles andere verschwindet hinter den virtuellen Scheuklappen – man befindet sich also in der gefilterten Wirklichkeit.

Welche Auswirkungen hat das auf SEO?

Alles was die Suchmaschinen und insbesondere Google tun, hat einen Einfluss auf die Suchmaschinenoptimierung. Zwar hat die Kritik an der Filter Bubble erstmal gar nichts mit SEO zu tun, da es bei dem Themenkomplex um grundsätzliche und teilweise auch gesellschaftliche (auch gesellschaftspolitische) Dinge geht. Allerdings haben natürlich die kritisierten Filter sehr wohl einen Einfluss auf die Optimierung der Suchergebnisse. Ich bin darauf in einem einem anderen Beitrag zur Individualisierung der Suchergebnisse schon einmal eingegangen.

Auch in diesem Zusammenhang macht der Ausdruck „SEO ist tot“ ja ganz gerne die Runde. Dem ist aber nicht so. Ganz klar hat die Personalisierung Folgen, allerdings sollte man auch hier noch abwarten, wo die Reise überhaupt hingeht und welche Rolle die individualisierten Ergebnisse in Zukunft haben werden (vermutlich eine große). Bislang ist es noch nicht so weit, dass jeder, der sucht, komplett unterschiedliche Ergebnisse erhält, wobei selbst kleine Unterschiede in gewissen Regionen schon große Folgen haben können.

Je stärker diese Auswirkungen werden, umso mehr werden sich SEOs in Zukunft mit Menschen beschäftigen müssen, denn diese werden zu einer zusätzlichen Variable. Relevant ist nicht mehr nur die Frage nach dem Keyword, sondern auch danach, wer nach diesem Keyword sucht. Diese Frage war bislang zwar eigentlich implizit, aber in Zukunft werden hier auch der SEO und die Tool-Anbieter gefragt sein, während das bisher ja eher eine Frage der Zielgruppenauswahl im Marketing war. Es gilt herauszufinden, wer sich wie im Internet verhält und nach welchen Kriterien Google die Leute dann in welche Gruppe einteilt. In diesem bieten sich dann natürlich zahlreiche Berührungspunkte zu anderen Gebieten. Zu nennen ist hier selbstverständlich das Social Media Marketing.

Insgesamt können wir für die Suchmaschinenoptimierung durchaus auch Chancen ableiten. Dieses Thema wird derzeit noch sehr unterschätzt. Wahrscheinlich ist jedoch, dass es zukünftig auch Aufgabe des Suchmaschinenoptimierers sein wird, die oben genannten Blasen im Sinne der Kundenbindung bewusst zu erzeugen.  Wir erhalten hier also ein schwer analysierbares, aber sehr spannendes neues „Spielzeug“. Die Möglichkeit des externen Lock-In´s von Nutzern. Gelingt es eine gewisse Klick-Loyalität des Nutzers zu unserer Seite aufzubauen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir in dem von uns gewünschten Kontext auch eher zu Kenntnis genommen werden. Das ist aus Online-Marketing-Sicht ein durchaus wünschenswertes Ziel.

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