Dumme Algorithmen – Was uns der Facebook Satire-Hinweis wirklich zeigt

Vor fast einem Monat beherrschte eine „Nachricht“ selbst angeblich seriöse Nachrichtenseiten, dass Facebook Meldungen von bekannten Satireseiten nun mit einem Hinweis [Satire] versehen würden. Der Aufschrei war groß, Facebook halte seine User für dumm und würde für seine Nutzer entscheiden was gut für sie ist und was nicht.  Nicht unwahrscheinlich, dass man auf den Zug des Volkssportes sich über Menschen lustig zu machen die auf Satire Meldungen des Postillon hineinfallen, aufspringen wollte. Ein schöner kleiner Klickbait den man gerne mitnimmt und alle können sich echaufieren, die Feuilletonisten über Facebook – siehe hierzu den schlecht informierten aber dafür wutschnaubenden Artikel von Ursula Scheer auf faz.net –  und der Rest der Menschen über die anderen dummen, die Satire nicht erkennen, selbst wenn man sie ihnen an den Kopf schmeißt.

Darum geht es mir heute nicht, ich möchte das ein bisschen sachlicher betrachten. Und einmal untersuchen, was uns dieser Versuch von Facebook über die Fehlbarkeit von Algorithmen verrät, und wie er letztlich auch für die Suchmaschinenoptimierung relevant ist.

Darum geht es: Satirehinweis, aber wo?

Die Presseartikel zum Thema gleichen sich wie ein Ei dem anderen; erst wird suggeriert Facebook würde an jede nicht ernst gemeinte Meldung einen Satirehinweis anheften, aber im späteren Artikel wird es dann konkreter. Erstens handelt es sich erst einmal nur um einen Test der auch derzeit nur in den USA probiert wird, und zweitens befindet sich der getestete Hinweis nur im Bereich „ähnliche Links“, der sich öffnet wenn man auf einen Artikel geklickt hat. Das bedeutet umgekehrt: jeder andere Link auf Facebook von derselben Seite ist nicht markiert.

Geht es also wirklich nur darum, die User vor ihrer eigenen Leichtgläubigkeit zu schützen? Wohl eher nicht. Denn der Ort des Tests zeigt, dass es auf den Kontext ankommt. Wenn User auf einen normalen Nachrichtenlink klicken, sagen wir von CNN oder von mir aus auch Fox (was natürlich eigentlich Realsatire ist), werden unter diesem Beitrag „ähnliche Links“ zu weiteren Nachrichten, häufig zum selben Thema angezeigt. Wenn in diesem Umfeld Satirelinks auftauchen ist das irreführend.

Maschinen sind dumm

Seiten wie The Onion oder auch der Postillon in Deutschland halten den „echten“ Nachrichten einen Spiegel vor. Sie bedienen sich derselben Elemente und führen sie ad absurdum. Ein Mensch kann das unterscheiden, ein Algorithmus nicht. Er versteht den Inhalt nicht, sondern bedient sich lediglich vergleichender Elemente und ordnet ihn danach ein. Alles sieht so aus wie eine Nachricht, Aufbau, Wortwahl und Satzbau sind praktisch identisch. Das ist schon für Menschen manchmal schwer zu erkennen, wenn man nicht entsprechende Erfahrungen und Zusatzinformationen hat, aber ein Algorithmus – und nichts anderes steht ja dahinter – ist da aufgeschmissen. Hier stößt er an seine Grenzen, denn er kann nur das verstehen was ihm angezeigt wird. Meta-Ebenen, Humor und Unlogische Verknüpfungen sind nicht vorgesehen. Für den Algorithmus sieht demnach auch eine Quatschnachricht aus wie eine echte.

Warum irreführende Links schlecht für Facebook sind

Tatsächlich ist das Ganze für Facebook ein Problem. Denn de facto ist es eine Fehlfunktion ihres Systems. Eine Nachricht die keine ist hat in den ähnlichen Links nichts zu suchen, eigentlich. Da helfen nur zwei Dinge, eine Redaktion, was mir einigermaßen unpraktikabel erscheint, oder eben das Versehen einzelner bekannter Satireseiten mit Tags. Denn erhalten User wiederholt Links in der Rubrik ähnliche Links die nur scheinbar ähnlich sind, dann werden sie die Funktion als unzuverlässig einstufen und nicht mehr benutzen. Das ist wahrscheinlich sogar unabhängig davon, ob sie in der Lage sind Satire als solche zu erkennen, oder nicht. Hier geht es, wie so oft wohl auch, um den Faktor Zeit.

Beschränkte Algorithmen auch in Google

Überall heißt es die Zukunft des Webs ist semantisch, Suchanfragen sollen verstanden werden und am besten sollte die Suchmaschine die Antwort gleich mitliefern. Der Knowledge Graph ist nur ein Beispiel dafür. Wetterberichte, Fußballergebnisse, Rich Snippets sind andere. Das funktioniert aber nur, wenn Inhalte mit bestimmten Tags ausgestattet sind, denn de facto sind Algortihmen, selbst die von Google, nach wie vor nicht in der Lage, Dinge von alleine zu verstehen – erst recht wenn es um so komplizierte Dinge wie Humor und Satire geht. Daher zeigt das Beispiel Facebook sehr gut die Grenzen der Technologie auf, wenn ein einfaches ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ nicht mehr reicht, wenn eine Null aussieht wie eine Eins. Außerdem zeigt es wie wichtig strukturierte Daten sind, damit Inhalte auch wirklich richtig verstanden werden. Denn Algorithmen und Computer können verdammt einfach ausgetrickst werden, das wird in schöner Regelmäßigkeit bei SEO Wettbewerben vorgeführt und funktioniert auch in der Praxis in kleineren Nischen, wie Felix Beilharz gerade erst gezeigt hat. Seit dem letzten Raketenseowettbewerb ist daher die Debatte um die Rückkehr des Black Hat in vollem Gang, angestoßen durch einen Blogartikel von Martin Mißfeldt und dann auch im Seokratie Blog aufgegriffen. Fazit: Auch Googles Algortihmus ist nicht besonders schlau, solange er nicht genügend Informationen zum Vergleich hat. Vom Textverständnis ist Google noch weit entfernt, ich erinnere in diesem Zusammenhang auch mal an unseren Hochgeschwindigkeitsseo Currywurst Text. Dass sich Algorithmen auch noch in Zeiten von Proof Keywords leicht hinters Licht führen lassen, ist durch Seiten wie The Onion und der Postillon nicht gerade unwahrscheinlich. Denn rein mathematisch lässt sich die Intention eines Textes offensichtlich doch noch nicht erfassen.

Fazit: Satirehinweise sind kein Beweis für Facebooks Bevormundungstendenz, sondern für dumme Computer

Auch wenn Facebook sagt, dass sie die Markierung auf Grund von Userwünschen eingeführt haben, so ist es doch unwahrscheinlich, dass das der ausschlaggebende Grund ist, denn geteilte Beiträge bleiben schließlich unmarkiert. Man wird sehen müssen, was der Test ergibt und ob der Hinweis tatsächlich eingeführt wird oder dann doch wieder irgendwo im dunklen Keller des Silicon Valley verschwindet.

Aber machen wir uns nichts vor, Maschinen sind dumm. Ihnen vollends zu vertrauen ist ebenfalls nicht schlau. Man sollte zumindest davon ausgehen, dass sie Fehler machen. Facebook markiert dementsprechend nicht Satire, sondern die Unzulänglichkeiten seines Algorithmus, weil diese Unzulänglichkeiten sich negativ auf die Nutzung der fehlerhaften Funktion an sich auswirken können.

Natürlich gibt es berechtigte gesellschaftliche und moralische Kritikpunkte an Algorithmen, (sozialen) Filtern, etc. in Netwerken und Suchmaschinen, aber der Satirehinweis ist dafür eher ein schlechtes Beispiel.

(Artikel erstmals 2014 veröffentlicht – Inhalt möglicherweise nicht mehr aktuell)

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1 Kommentar
17.09.2014

Interessanter Aspekt, ich hatte das für mich auch in die Kategorie „dumme User“ gepackt. Die Problematik mit den „dummen Algorithmen“ ist aus meiner Sicht bei Facebook noch unproblematischt, schwieriger wird’s bei Suchmaschinen. Egal was Google am Ende auch an ihren Algorithmen dreht und schraubt, es ist immer in gewisser Weise eine Manipulation. Und deswegen gefällt mir Euer Fazit: zwischendurch immer wieder mal das Gehirn einschalten. Und wenn man drauf reingefallen ist, ggf. auch mal ruhig über sich selber lachen :-)