Behavioral Pricing und Targeting

Vergangene Woche bin ich auf einen Blogartikel von Anna-Lena Radünz gestoßen, in dem sie über Behavioral Pricing geschrieben hat. Obwohl es sich dabei prinzipiell um gar nichts Neues handelt, ist das Thema doch so interessant, dass wir es kurzfristig für unseren heutigen Sonntagsartikel ausgewählt haben.

Was ist Behavioral Pricing?

Beim Behavioral Pricing hängt die Preisfindung für ein Produkt vom individuellen Verhalten der Konsumenten ab. Oder besser gesagt, die Produzenten und Händler passen die Preise individuell oder zumindest einigermaßen elastisch an die Verhaltensweise des Konsumenten / Kunden an. Und noch genauer: Beim Behavioral Pricing wird der Preis der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten angepasst.  Letztlich haben wir es also im Grunde nur mit einer Form von Preisdiskriminierung zu tun.

Behavioral Pricing beruht auf dem verhaltenswissenschaftlichen Ansatz der Preistheorie, die sich von der klassischen Preistheorie unter anderem darin unterscheidet, dass Menschen Kaufentscheidungen nicht grundsätzlich rein rational treffen und somit nicht dem klassischen Konzept des Homo Oeconomicus entsprechen, der immer rational entscheidet und über vollkommene Informationen verfügt.

Warum schreiben wir hier nun darüber? Behavioral Pricing gibt es praktisch überall, seit vielen Jahren. Als bekannte Beispiele gelten die höheren Preise, die in manchen Gegenden Touristen und Ausländer zahlen müssen, oder Regenschirme die plötzlich teurer sind wenn es regnet oder aber auch Getränke, deren Preis steigt sobald das Wetter warm ist und und und… Am besten passt meiner Meinung nach aber der Elektromarkt, der z.B. USB Sticks in derselben Größe zu ganz unterschiedlichen Preisen anbietet. Die Teuren sind gut sichtbar platziert, während die Günstigen in irgendeiner „Wühlkiste“ in einem hinteren Regal liegen. Nur Menschen mit einer wirklich niedrigen Zahlungsbereitschaft begeben sich auf die Suche.

Online Behavioral Pricing: Traum der Händler, Albtraum der Konsumenten

Beim Online Behavioral Pricing kann man die Sache noch deutlich weiter treiben. Im Gegensatz zu den genannten gängigen Preisdiskriminierungen lässt sich das Verhalten der User nämlich deutlich besser vorhersagen und sich daher ein individuellerer Preis erstellen als die grob strukturierten Preisgruppen offline. Über das Verhalten im Internet lassen sich Rückschlüsse auf die Zahlungsbereitschaft für bestimmte Produkte ziehen. Daten von sozialen Netzwerken, wie Freunde, Beruf, Familienstand, Hobbies etc., das Online-Kaufverhalten, das Verhalten auf der Seite des jeweiligen Online Shops, das Gerät das der User verwendet, der Ort an dem er sich gerade befindet – all dies sind Daten, die viel verraten können über die Wahrscheinlichkeit mit der ein User ein bestimmtes Produkt haben möchte und wie viel er bereit ist dafür zu zahlen, beziehungsweise wie viel er überhaupt zahlen kann.

Theoretisch und wohl auch praktisch ist es möglich, all diese Daten und noch viele mehr über einzelne User zu sammeln und zu verknüpfen. Erhält ein Händler Zugang zu solchen Daten, hat er einen Informationsvorsprung gegenüber seinen Kunden. Dann kann er die Preise so setzen, dass er bei jedem die volle Zahlungsbereitschaft abschöpft. Das wäre, wie The Next Web vor einem Jahr titelte, in der Tat „A consumer’s worst nightmare, a merchant’s dream„.

Behavioral Pricing schädigt das Image und sorgt für Misstrauen

Ganz so schlimm kommt es aber wohl doch eher nicht. Denn die Konsumenten sind ja nicht dumm, natürlich würden sie so etwas merken. Und wenn ihnen der Informationsvorsprung der Händler bewusst ist, werden sie misstrauisch. Die Folge könnten ausbleibende Käufe, Social Media Boykott und Manipulation sein. Und wie Anna-Lena ja auch berichtet hat, haben sich einige Händler in den USA bereits Probleme in Form von schlechter Presse eingehandelt. Das bedeutet natürlich nicht, dass Behavioral Pricing ausbleibt. Nur ist es vielleicht doch unwahrscheinlich, dass es in vollem Umfang kommt, dazu ist ein gewisses Vertrauensverhältnis beim Einkauf einfach zu wichtig. Aber nichtsdestotrotz wird dadurch klar, was eigentlich damit gemeint ist, wenn es bei kostenlosen Angeboten immer heißt: „man bezahlt mit seinen Daten“. Am Ende bezahlt man dann wirklich. Zumindest in den allermeisten Fällen, denn natürlich kann Behavioral Pricing auch  bedeuten, dass man etwas billiger bekommt als sonst.

Behavioral Targeting

Während das Pricing darauf abzielt den Usern / Kunden / Konsumenten individuelle Preise für ein konkretes Produkt zu nennen, setzt das Behavioral Targeting an, bevor die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Produkt bereits gefallen ist, nämlich bei der Werbung. Behavioral Targeting ist also im Grunde personalisierte Werbung, die anhand einer Analyse des Userverhaltens, eine bestimmte, auf dieses Verhalten passende Werbung anzeigt, einblendet oder versendet. Das wird ja auch bereits in großem Umfang getan. Als ich vorhin bei Facebook war, wurde mir Werbung für ein „Behavioral Pricing“ Buch eingeblendet. Dem Targeting und Tracking von Facebook werden entweder Jakob oder ich demnächst einen eigenen Beitrag widmen.

Auch viele Online Shops betreiben Behavioral Targeting, indem sie den Usern individualisierte Landingpages, spezielle Angebote und auf sie angepasste Produkte präsentieren. Daher sind für mich die Übergänge vom Behavioral Targeting zum Pricing fließend. Targeting dürfte aber insgesamt etwas besser akzeptiert werden, da es sich ja lediglich um individualisierte Angebote handelt, die man ja durchaus noch umgehen kann. Nach dieser Funktion muss man allerdings wieder suchen und so haben wir erneut die etwas abgeschwächte Form der Preisdiskriminierung.

Ob nun Behavioral Targeting oder Pricing, gerade für Online Shops bieten sich zahlreiche Möglichkeiten. Aber auch Werbung lässt sich so gezielt wie nie platzieren. Aus User-Sicht wirken die personalisierten Angebote wie Filter – ein Phänomen, das Eli Pariser schon lange als Filter Bubble kritisiert und über das ich auch schon einmal eine Serie geschrieben habe, auf die ich hiermit nochmal verweisen will.

(Artikel erstmals 2013 veröffentlicht – Inhalt möglicherweise nicht mehr aktuell)

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