VR und AR in der Medizin – VR-Reihe

Willkommen zum zweiten Teil der VR-Reihe. Im folgenden Beitrag stelle ich die Einsatzmöglichkeiten von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) in der Medizin vor. Ihr wisst nicht, was VR und AR ist? Die Begriffserklärungen und weitere Informationen zur Geschichte und aktuellen Angeboten könnt ihr in meinem ersten Teil der VR-Reihe nachlesen.
Und alle anderen, denen VR und AR ein Begriff ist, können in diesem Blogbeitrag noch einiges über die Einsatzmöglichkeiten von VR und AR erfahren. Denn die seit 2016 gehypten Technologien sind nicht nur zur Unterhaltung gut.

VR und AR in der Therapie

Schon seit einigen Jahren wird VR und AR erfolgreich in der Therapie eingesetzt. Nein, ich meine keine Therapie gegen Langeweile, bei der man den Patienten vor ein unterhaltsames VR-Spiel setzt. VR und AR eignen sich als Therapiemittel gegen Schmerzen, Ängste oder Paranoia.

Schmerztherapie

Schon einmal vom Phantomschmerz gehört? Hierbei handelt es sich um Schmerzen an amputierten Gliedmaßen, die keine physische Ursache haben (anders als beim Stumpfschmerz). Bisher wurde noch nicht hundertprozentig geklärt, wie dieser Schmerz nach einer Amputation entsteht, jedoch ist die wahrscheinlichste Ursache, dass fehlerhafte Reize aus dem peripheren Nervensystem an das amputierte Körperteil gesendet werden. Eine erfolgreiche Behandlungsmethode für Phantomschmerzen ist die Spiegeltherapie. Wurde einem Patienten zum Beispiel der linke Arm amputiert, kann man im Rahmen der Spiegeltherapie den rechten Arm in einem Spiegel spiegeln. Der Patient hat durch den Spiegel die Illusion, dass er zwei gesunde Arme hat. Eine Erweiterung der Therapieform bietet die VR-Therapie. Hierzu werden die EMG-Reize, die vom Gehirn zum Stumpf gesendet werden, abgegriffen und an das VR-Gerät übertragen. Der Patient kann dann mit der VR-Brille sein fehlendes Körperteil virtuell wieder sehen und bewegen. Mit der VR-Schmerztherapie lernt das Gehirn die gesendeten Reize zu reduzieren und der Phantomschmerz nimmt ab oder verschwindet im Optimalfall.

Angsttherapie

Leidet man unter Ängsten oder Phobien (Angst vor bestimmten Objekten, Menschen, Tieren oder Situationen) und möchte diese behandeln oder loswerden, hat man die Wahl zwischen der Gesprächs-, Verhaltens- oder medikamentösen Therapie oder einer Mischung der Therapieformen. Bei der Verhaltenstherapie setzt sich der Patient im Beisein eines Therapeuten mit seinen Ängsten auseinander. Dies geschieht entweder stufenweise (Steigerung der Angstsituation) oder mit einer Reizüberflutung (Patient wird der schlimmsten Angstsituation konfrontiert, bis eine Desensibilisierung eintritt). Beide Arten der Konfrontationstherapie sind für den Therapeuten und den Patienten teils zeitaufwendig und kostenintensiv. Hat ein Patient beispielsweise Angst vor der Höhe, muss die Konfrontationstherapie immer an einem Ort außerhalb der Praxis stattfinden.

Zudem sind Patienten teilweise nicht bereit sich im realen Leben mit ihren Ängsten zu konfrontieren. Hier bietet AR und VR eine Erweiterung der Konfrontationstherapie. Mithilfe der VR- oder AR-Software kann der Patient die Immersion empfinden, als sei er auf einem Hochhaus oder Spinnen würden sich auf ihn zubewegen. Der Therapeut ist bei dieser Therapieform stets in Kontakt mit dem Patienten und kann die virtuellen Angstsituationen an den Patienten anpassen.

Paranoia-Therapie

Fast jeder wurde bestimmt einmal als paranoid bezeichnet. Hierbei war vermutlich der Verfolgungswahn gemeint. Ursprünglich stammt der Begriff Paranoia aus dem griechischen und bedeutet „wider den Verstand“ oder „verrückt“. Menschen, die unter Paranoia leiden, empfinden die Umgebung als feindselig und denken, jemand wolle ihnen etwas böses. Auch freundliches oder neutrales Verhalten wird als negativ wahrgenommen. Paranoide Persönlichkeitsstörungen haben eine genetische und umweltbedingte Komponente. Die Behandlung einer Paranoia erfolgt tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch und/oder medikamentös. An der Oxford University Department of Psychiatry wurden mehrere Feldversuche zur Paranoia-Therapie mit Hilfe von VR durchgeführt. Der Patient begibt sich in eine virtuelle Simulation, in dieser er im realen Leben paranoid reagiert, wie in einer Bar oder in einem Aufzug. Die Avatare, die den Patienten konfrontieren, werden von Therapeuten besprochen, sodass verschiedene Situationen kontrolliert durchgespielt werden können. Die VR-Paranoia-Therapie gilt als sehr erfolgreiche Therapieform, in der der Patient lernt, dass er sicher ist. Mehr zum Einsatz von VR bei der Behandlung von Paranoia und Verfolgungswahn könnt ihr in der verlinkten Publikation nachlesen.

Virtuelle Operationen

VR und OPs? Ja, das gibt´s. Am 14.04.2016 fand im The Royal London Hospital die erste VR-OP statt. Die Entfernung eines Tumors aus dem Dickdarm wurde an dem Tag mit 360°-Kameras gefilmt und die Zuschauer konnten live in 4K im OP-Saal mit dabei sein und den Chirurgen über die Schultern gucken. Doch wird VR und AR als Hilfsmittel in der OP-Planung und -Vorbereitung oder in der OP selbst eingesetzt. Erst im März fand in Houston eine minimal invasive AR-Nasennebenhöhlen-Operation statt. Der OP-Weg wurde vorab mit einer Computersoftware geplant und während der OP wurde dieser mittels AR in das Endoskop des Arztes projiziert.

Komplexe OPs planen, Eingriffe üben, Markierung von OP-relevanten-Körperstellen (Knochen, Organe, Nervenstränge) setzen oder für die Berechnung und Informationseinblendung von Distanz-Daten – für all das wird bereits VR und AR eingesetzt. Ihr habt noch nicht genug? Hier eine ausführliche Publikation über die Einsatzmöglichkeiten von VR und AR bei Operationen.

Medizinisches Training

Seien es Medizinstudenten, Pflegepersonal oder Mediziner – medizinisches VR- und AR-Training vermittelt Wissen und ist zu Übungszwecken oft besser als ein echter Patient. Zahlreiche Situationen können mit der großen Anzahl an Medizin-Programmen geübt werden und verbessern die medizinische Patientenversorgung. Zudem sind virtuelle Trainingsprogramme kostengünstiger als Trainingsbetreuer und können von vielen zeitgleich und intensiver durchgeführt werden. Falls ihr euch nicht vorstellen könnt, wie virtuelles medizinisches Training aussehen kann, könnt ihr euch bei YouTube eine Videos zu virtuellen Trainingssimulationen anschauen.

Wer noch mehr über Einsatzmöglichkeiten von VR und AR lesen möchte, sollte sich den bald folgenden Artikel aus der VR-Reihe nicht entgehen lassen. Gerne könnt ihr eure Gedanken oder Meinungen zum Thema in die Kommentare schreiben.

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