Social Signals: Diskurs über vermeintliche Rankingfaktoren

Das Thema für heute stand schon etwas länger in unserem Redaktionsplan, jetzt wurde es aber von der aktuellen Entwicklung eingeholt. Social Signals und ihre Bedeutung für SEO sind in den letzten, sagen wir, zehn Tagen zu einem der heißesten Themen in der deutschen SEO-Szene und sogar ein bisschen darüber hinaus geworden. Auslöser der neuerlichen Diskussionen war die kürzlich veröffentliche Studie von Searchmetrics zu den Rankingfaktoren. Dabei wurde festgestellt, dass ein hohes Google-Ranking stark mit eben jenen Social Signals korreliert. Heißt im Klartext: Seiten die bei Google weit oben stehen, haben häufig auch viele Social Signals, also Likes, Tweets, Google +1s etc.

Die Korrelation war sogar die stärkste unter allen Gemessenen. Aber bedeutet das tatsächlich, dass Social Signals nun die wichtigsten Rankingfaktoren sind? Müssen wir jetzt nur noch Social Media Marketing machen, um auch bei den Suchmaschinen erfolgreich zu sein?

Was sind Social Signals?

Als Social Signals werden in der Regel „… kommunikative und informative Signale [bezeichnet], die entweder direkt oder indirekt Informationen über soziale Interaktionen, sozialen Emotionen, soziales Verhalten und soziale Beziehungen liefern“ bezeichnet. So steht es in der Definition von Onpage.org. Diese Bezeichnung wird genutzt, seitdem es große Soziale Netzwerke wie Facebook gibt. Zur Messung der Interaktivität hat gerade Facebook mit dem Like Button einen ziemlich starken Indikator geschaffen. Letztlich sind auch die anderen Signale sowohl von Facebook (shares und Kommentare), als auch die von anderen Sozialen Netzwerken, insbesondere Tweets und Erwähnungen auf Twitter oder Shares und +1 auf Google in erster Linie Indikatoren, wie beliebt ein Beitrag ist.

Für eine Suchmaschine, die ihren Usern die besten Suchergebnisse bieten möchte, sind solche Signale natürlich Gold wert, weil sie direkt zu verraten scheinen, welche Seite, welcher Text, welches Produkt besonders beliebt ist.

Allerdings tauchen da recht schnell Grenzen auf, wenn man sich näher damit befasst. Nicht alle Seiten und Themen sind gleich stark „sozial“. Emotionale Themen dominieren hier eindeutig. Außerdem sollte man vorsichtig sein, Social Signals als generell positiv zu bewerten. Viele Kommentare bedeuten nicht automatisch gute Kommentare. Außerdem gibt es nunmal nur einen Like Button, der aber nicht immer zwingend „gefällt mir“ bedeutet. Man könnte noch ewig weiter ausführen, wie und warum Social Signals nicht so vertrauenswürdig sind, aber das führt jetzt zu weit.

Korrelation zwischen Social Signals und Rankings

Die Searchmetrics-Studie hat nun eine besonders starke Korrelation zwischen eben jenen Social Signals und dem Ranking von Websites in den Google SERPs aufgezeigt.  Insbesondere Facebook, aber auch Google+ Signale sind hier ganz vorne mit dabei, wobei die Facebook Shares von den einzelnen Signalen die höchsten Korrelationswerte aufweisen. Ein Zusammenhang zwischen Social Signals und den Rankings ist damit unbestreitbar. Die Frage ist nur, was das für ein Zusammenhang ist. Denn Ursache und Wirkung sind hier überhaupt nicht eindeutig erklärbar.

Wie Social Signals und Rankings zusammenhängen können

Ob die Ergebnisse tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zeigen (mehr Social Signals –> besseres Ranking), darf zumindest in der Stärke bezweifelt werden. Tatsächlich besteht sogar die Möglichkeit, dass die Kausalität umgekehrt ist: Dann würde nämlich ein höheres Google-Ranking dazu führen, dass eine Seite häufiger gefunden und dann auch geliked, geteilt, geplust, getweetet ge-was-auch-immer wird. Mindestens jedoch ist eine Wechselwirkung wahrscheinlich, allein das dürfte die Korrelation bezogen auf einen möglichen kausalen Zusammenhang abschwächen.

Andererseits könnte es auch gar keinen direkten Zusammenhang geben. Dann hätten wir eine Scheinkorrelation, wobei die Verbindung zwischen beidem weder das Ranking, noch die Social Signals sind, sondern die Qualität des Inhalts. Hochwertige Inhalte, die für die User relevant sind, werden häufiger geteilt. Schon seit langem wissen wir aber auch, dass Google gerne gute Inhalte möchte und diese weit vorne platziert. In diesem Fall sind sowohl das Ranking, als auch die Social Signals nur Indikatoren für gute Inhalte. Das sind sie im Übrigen sowieso, das sollte man immer im Hinterkopf behalten.

De Facto sind die möglichen Beziehungsverhältnisse so kompliziert und zahlreich wie die von Filmschauspielern und Teeniestars.

Social Signals als Rankingfaktoren?

Sollte es tatsächlich eine kausale Beziehung mit der eindeutigen Richtung von den Social Signals zu den Rankings geben, dann könnte man sie eindeutig als Rankingfaktoren bezeichnen. Aber wie ich bisher hoffentlich deutlich zeigen konnte, sollte man hinter das „Rankingfaktoren“ ein dickes Fragezeichen setzen, in etwa so: ? Nur dicker.

Das hat vor allem zwei Gründe, von denen einer eher inhaltlicher und der andere eher technischer Natur ist.

1. Die Aussagekraft von Social Signals

Diesen Punkt habe ich im Grunde schon eingangs erläutert. Social Signals sind meiner Meinung nach nicht immer ein zuverlässiges Bewertungskriterium. Das liegt daran, dass sie stark themenabhängig sind. Auf die geringe Verlässlichkeit von Social Signals hat kürzlich auch Matt Cutts noch einmal hingewiesen.  Dennoch sind sie natürlich ein gutes Maß für die Popularität bestimmter Artikel oder Websites. Und gerade für Inhalte, bei denen Aktualität sehr wichtig ist, also Blogs, News, etc. sind Social Signals natürlich ein gutes Maß um festzustellen wie aktuell das Thema tatsächlich ist.

2. Das Problem der Indexierung

Aber wie gesagt stellen Social Signals trotz allem eine mögliche Goldgrube für Suchmaschinen dar. Wenn sie denn nur an all die wichtigen Signale herankommen würden. Das Problem ist aber: Google ist eine große Firma, die eine Suchmaschine betreibt – die größte und wichtigste sogar und außerdem verdienen die Betreiber Unmengen an Geld mit Werbung. Facebook hingegen ist ein anderes Unternehmen, das das Soziale Netzwerk mit den meisten Usern weltweit betreibt und sein Geld ebenfalls mit Werbung verdient. Beide sehen sich als Konkurrenten um Anzeigenkunden und Traffic. Twitter ist wiederum ein eigenes Unternehmen. Womit es Geld verdient weiß ich nicht, aber jedenfalls möchte es nicht, dass andere (Google) mit seinen Daten Geld einnehmen. Zwischen Google und den jeweiligen Sozialen Netzwerken hat sich ein kleiner Streit entwickelt, der manchmal ein bisschen an Kindergarten erinnert. Im Kern geht es aber darum, dass Google gerne an die Daten der Netzwerke möchte, diese das aber verhindern wollen.

Ein Grund wieso das verhindert wird, liegt an den Privatssphäreneinstellungen der User. Denn die meisten sind eben nicht öffentlich zugänglich und was nicht öffentlich einsehbar ist, sieht auch Google nicht. Facebook weigert sich zumindest für Google eine Hintertür einzubauen, worüber wir vor langer Zeit schon berichtet haben, und ihnen die Daten aufbereitet auszuliefern (es soll ja „Dienste“ geben, bei denen das gemacht wird). Die Datenmenge wäre vermutlich selbst für Google zu groß, um sie selber zu crawlen und auszuwerten, wenn sie Zugang hätten. Ein solchen aufbereiteten Feed erhielt Google bis vor ein paar Jahren von Twitter. Die haben das dann aber auch irgendwann eingestellt. Und nun steht Google vor dem Problem, dass es lediglich auf die öffentlichen Daten der Netzwerke zugreifen kann. Im Klartext: Google kann den Großteil der Social Signals nicht auswerten.

Nichtsdestotrotz ist Google natürlich eine Datenkrake, die sich krallt was sie kriegen kann. Da sind auch viele Infos aus Sozialen Netzwerken dabei. Eben die öffentlichen Profile der Seiten und was darauf passiert. Für eine vollständige Erfassung fehlt schlicht und einfach der Zugang, zumal ein Crawling der Daten z.B. Twitter möglicherweise in die Knie zwingen könnte und wohl auch Googles Kapazitäten überstiege. Also ist man auf eine gemeinsame Vereinbarung angewiesen, die es aber nicht gibt.

Der Schlüssel zu den Social Signals könnte in Google Plus liegen. Aber Google+ als aussagekräftiges soziales Medium zu bezeichnen und die Signale daraus als sehr wichtiges Rankingkriterium zu werten, würde ich für problematisch halten. Zumindest momentan.

Welchen Wert haben Social Signals für SEO?

Sind Social Signals also unwichtig? Darauf ein klares Nein. Social Signals sind wichtig, gar keine Frage. Allerdings sollte man sich dabei mal aus der reinen SEO-Perspektive befreien (sollte man sowieso). Social Signals liefern uns wichtige Hinweise, wie unser Content ankommt. Außerdem sind die Sozialen Netzwerke eine der wichtigsten Trafficquellen und letztlich geht es ja nicht nur ums Ranking, sondern um Traffic und Leads. Wir können davon ausgehen, dass wir auch in Google ganz gut ankommen, wenn das in Sozialen Netzwerken so ist. Das kann man dann userzentrierten Ansatz nennen. Außerdem bringen uns Social Signals Reputation – zumindest bei den Usern. Und zu guter Letzt kann man trotzdem davon ausgehen, dass Social Signals auch bei der Berechnung des Rankings eine Rolle spielen, aber wohl kaum die dominierende, wie sie manche aus der Searchmetrics Analyse heraus gelesen haben. Soziale Netzwerke sind zumindest hilfreich bei der schnellen Indexierung von Inhalten und bei der Beurteilung der Aktualität bzw. der Freshness durch die Suchmaschine. Wie ich schon mal beschrieben habe, führen uns die Sozialen Netzwerke über die Grenzen der reinen Suchmaschinenoptimierung hinaus. Ein ganzheitlicher Ansatz ist gefragt, bei dem es dann auch nicht mehr so wichtig ist, ob die Social Signals nun Rankingfaktoren sind oder nicht, auf jeden Fall nützen sie uns. Wenn man möchte, kann man das dann Inbound Marketing nennen.

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11 Kommentare
21.06.2013

Was für ein toller Artikel! Vielen Dank dafür! Diese ganzen Aspekte zb bzgl der crawling Möglichkeiten von google auf Facebook und Twitter waren mir (als SEO Laien) bisher gar nicht bewusst.

21.06.2013

Eine sehr schöne Betrachtungsweise. Repekt! Es tut gut auch mal eine kritische Stimme zu hören. In der Tat halte ich es auch derzeit noch für unwahrscheinlich, dass es aktuell ein entscheidenes Ranking Singnal darstellt. Als Traffic Quelle sind Social Signals allerdings hervorragend geeignet. Durch die Möglichkeit nach Hashtags zu suchen könnte auch die Suchfunktion sich als echter Traffic Lieferant erweisen. Grundsätzlich sollten social Signals aber unbedingt in der gesamt Strategie genutzt werden.

Ingo
02.07.2013

Mein reden, sage ich schon jedem der es nicht wissen will seit der 2012er „Studie“… Die Macher halten sich da leider ziemlich bedeckt, auch nach freundlicher Nachfrage per Mail :/

09.07.2013

Das Social Signals für Google wichtig sind ist sehr nahe liegend. Denn Likes werden in der Regel von realen Personen gesetzt und sind daher am schwierigsten zu faken. Klar gibt es Möglichkeiten, aber auch hier kann relativ erkennen, ob jemand betrügt.
Die Rechnung ist recht einfach viele likes, plus usw. von verschiedenen Personen = viele Menschen interessieren sich dafür = hohe Relevanz.

Timo
19.07.2014

Toller Artikel über die Wirkung von Social Signals. Wir haben seit ein paar Tagen ein neues Tool Online gestellt welches ohne große Schnörkeleien die Signale analysiert für eine URL: http://www.social-signals.info