Wie Google Personen zu Entitäten macht, Blackhat Edition

Das Google Anti Webspam Team, personifiziert durch Matt Cutts, polarisiert Webseitenbetreiber und Online Marketer schon seit langem. Die Diskussion um deren Methoden ist im letzten Monat in Deutschland besonders groß und hat sogar vereinzelt den Sprung in die Massenmedien geschafft. Im Rahmen der ganzen Diskussionen um Matt Cutts und sein Team bin ich wieder auf ein Thema aufmerksam geworden, auf das ich schon vor längerem hingewiesen worden bin. Die Protagonisten sind Matt Cutts auf der einen, und ein amerikanischer BlackHat Seo auf der anderen Seite. Wer davon nun der Gute und wer der Böse ist, sei einmal dahingestellt. Das Ganze gibt einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten der Google Anti Webspam Leute und deren offenbar zunehmend manuelle Arbeit. Noch viel wichtiger ist aber die Erkenntnis, dass Google tatsächlich Personen als Entitäten identifiziert und speziell behandelt.

Außerdem ist es auch eine Warnung an Spammer und Blackhats, die Finger von Google Accounts zu lassen und Blackhat Projekte von sauberen strikt zu trennen.

Die Grundlage des Dramas bildet der Artikel vom betroffenen „Agent Blackhat“ mit dem Titel: This is what happens when you bait Matt Cutts into an attack.

Prolog: Agent Blackhat und Matt Cutts

Der erste der beiden Protagonisten nennt sich Agent Blackhat und ist in der amerikanischen Blackhat Szene ganz offensichtlich kein Unbekannter, wobei ich gestehen muss, mich in dieser Welt nicht besonders gut auszukennen. Agent Blackhat ist auch der Name seines Blogs und dazu betreibt er ein nicht ganz kleines Blackhat Forum namens Blackhatworld (BHW) in dem SEO Themen diskutiert werden. In solchen Foren geht es oftmals um die Funktionsweise und Politik von Google. Eine der meistdiskutierten Fragen seit einiger Zeit ist, inwiefern Google noch ein Algorithmus ist und wie viel mittlerweile manuell passiert. Das Anti Webspam Team von Google, und eventuell auch Matt Cutts, nutzen das Forum ebenfalls um mit den Methoden und Entdeckungen ihrer „Gegner“ Schritt zu halten.

Erster Akt: Die Provokation des Matt Cutts

Inwiefern das ursprünglich so geplant war, lässt sich nicht nachvollziehen. Auf jeden Fall ging Agent Blackhat davon aus, dass Matt Cutts die Diskussionen in seinem BHW Forum verfolgt. Ob er das tatsächlich persönlich macht, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls wurde der Google Chef-Spam-Fighter in mindestens einem Post auch direkt angesprochen, in der Hoffnung auf eine Reaktion.

Der Thread, der die Reaktion auslösen sollte, enthielt unter anderem folgendes:

[…]However, he [Matt Cutts, Anm. d. Red.] and I both know that he is fighting a losing battle which is causing irreparable damage to Google itself and legitimate businesses all around the world which needed Google for traffic but are now learning not to rely on Google’s search engine. Only big big brands or blackhatters like myself stand a chance in this climate. The people suffering right now are the legitimate business owners with no real knowledge of SEO, they are ripe for being scammed, not by blackhats, but by whitehats who charge extortionate prices for very little work because they don’t know how to properly approach Google’s algorithm. […]

Diese direkte Ansprache erfolgte in einer öffentlichen Diskussion zu einer alten Blackhat Methode, die mit 301 Weiterleitungen arbeitet. Der Post endet mit einer weiteren, direkten Ansprache an Matt Cutts: „So while I don’t agree with what Matt Cutts is doing (as a blackhatter I have more respect for small businesses than to destroy their business, unlike Google), I have to thank Matt Cutts, for making it much easier to rank sites and make quick money. “

Der Kern ist also eine Fundamentalkritik an Googles Ausrichtung. Eine Kritik die sehr weit geht, die aber in Ansätzen durchaus nachvollziehbar ist und die wir in unseren Beiträgen auch schon mehrfach angebracht haben. Auch in Deutschland werden die Stimmen im Online Marketing lauter, sich weniger von Google abhängig zu machen – sprich, andere Trafficquellen zu erschließen. In erster Linie, weil es immer riskanter wird, auch wenn man sich an die Regeln hält.

Um sicherzugehen, dass Matt Cutts den Thread auch wirklich liest, wurde er bei Twitter darauf hingewiesen:

Zweiter Akt: Die Reaktion des Matt Cutts

Nichts von dem was jetzt kommt ist noch auf Twitter zu finden, wo es passierte. Die Überprüfbarkeit ist also gering, ich halte es aber für echt. Die Reaktion auf den Tweet folgte zwei Tage später, allerdings nicht als Antwort an den Account @agentblackhat, stattdessen wurde der private Twitter-Account angetwittert, weshalb dieser ihn auch aus dem Screenshot entfernt hat.

Das Erstaunliche daran war erstens die Antwort auf den persönlichen Twitteraccount, der in den letzten Jahren wohl kaum genutzt wurde, sowie zweitens die Verwendung des Wortes Thrush, was der Titel einer alten Seite war, die der Mensch hinter Agent Blackhat vor Jahren über Flippa verkauft hatte.

Dritter Akt: Abstrafungen

Blackhats sind darum bemüht ihre wahre Identität zu verschleiern, erst recht wenn sie öffentlich in Erscheinung treten. Daher glaube ich, dass der Blackhat Name und der richtige Name gut voneinander getrennt waren. Dennoch ist es Matt Cutts und seinem Team gelungen, den Namen herauszufinden, ebenso wie den dazugehörigen Twitter-Account und Webseiten, selbst wenn sie ihm schon seit Jahren nicht mehr gehören. Das an sich ist schon verstörend genug, aber es folgten danach weitreichende Abstrafungen von Webseiten.

Folgende Maßnahmen führte Google durch:

1. Alle Websites, die mit seinem oder seinen Google Webmaster Tools-Account oder Analytics verknüpft waren, wurden abgestraft;

2. Alle Webseiten, die persönliche Kontaktinformationen enthielten, wurden abgestraft;

3. Auch sehr alte Websites, die bereits aus den GWT gelöscht waren, erhielten trotzdem Benachrichtigungen in den Webmaster Tools;

4. Sein Haupt Google-Account, inklusive persönlicher Email, wurde gesperrt und musste mühsam wieder freigeschaltet werden.

Vierter Akt: Was war passiert?

Über die genauen Ausmaße der Abstrafung schweigt Agent Blackhat, er spekuliert jedoch darüber, dass auch Seiten betroffen sein könnten, die in irgendeinem Maße mit ihm in Verbindung gebracht werden. Möglicherweise war also die Person ins Fadenkreuz geraten, statt einzelner Websites. Das wäre ein gravierender Schritt, denn dadurch könnten zum Beispiel auch Kundenprojekte betroffen werden, auch wenn sie sauber sind. So weit wollen wir mal nicht gehen. Fakt ist jedoch, dass offensichtlich von Google recht tiefgehend recherchiert wurde, was zu einem großen Teil nur manuell geht. Für Agent Blackhat gilt es als sicher, dass Google auch die Webmaster Tools zur Anti-Spam-Recherche nutzt, die Signale geben ihm eventuell Recht. Die Informationen, die Google mit seinen vielen Diensten sammelt, bieten einen enormen Fundus an Daten und Erkenntnissen. 

Nachwort: Personen sind Entitäten

Früher war das Internet ein anonymer Ort. Die Menschen, die sich darin bewegten, benutzten erfundene Namen und Codierungen und erschufen sich so eine zweite Identität. Das ist schon lange nicht mehr der Fall. Und besondere Treiber dieses Trends zum Klarnamen und einer realen virtuellen Präsenz sind Unternehmen wie Google und Facebook, die theoretisch auf den richtigen, echten Namen ihrer User bestehen. Google möchte möglichst viel über die Menschen wissen, möchte Informationen verifizieren. Daher eckt es in Deutschland immer wieder mit dem Datenschutz an, aber deswegen (unter anderem) gibt es möglicherweise auch Google+. Das Ganze Thema des AuthorRanks und der Authorship ging letztlich darum, dass Google versucht Personen zu identifzieren und diese selbst zu targeten, nicht nur ihre Inhalte. Personen werden für Google zu Entitäten. Das hier ist ein Beispiel, das im negativen Bereich zeigt was möglich ist. Es beweist einerseits die Entitäten Theorie von AJ Kohn und zeigt andererseits, dass Google tatsächlich sehr fleißig auch manuell arbeitet.

So gruselig das alles jedoch ist, so sicher ist auch, dass man da so lange unter dem Radar fährt, wie man von Google noch nicht als Entität erfasst wurde. Agent Blackhat hat das mit Absicht provoziert, der normale User macht dies erstens nicht und sollte zweitens ohnehin auf Blackhat-Methoden verzichten, solange er ein ernsthaftes, langfristiges Interesse an Suchmaschinentraffic hat. Umgekehrt lassen sich als positive Entität aber vermutlich auch positive Auswirkungen erzielen. Das verschafft dem Thema Reputationsmanagement eine noch größere Bedeutung.

(Artikel erstmals veröffentlicht am 18. März 2014 – Inhalte evtl. nicht mehr aktuell)

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8 Kommentare
Uwe
19.03.2014

„Nichts von dem was jetzt kommt, ist noch auf Twitter zu finden, wo es passierte. Die Überprüfbarkeit ist also gering…“ – steht doch alles hier einsehbar: https://twitter.com/mattcutts/status/411673666099757056

David Linden
19.03.2014

Hallo Uwe,
Tatsache! Ich habs also entweder übersehen oder es wurde mir nicht angezeigt… Danke für die Ergänzung!

19.03.2014

Hi, interessanter Artikel. Was das Thema recherchieren angeht, möchte ich darauf hinweisen, dass Google selbst Registrar ist und somit erheblich mehr Möglichkeiten bei der Identifizierung zur Verfügung stehen.
Nur mal so als Randnotiz ;)

David Linden
19.03.2014

Hi Tim!
Na klar hat google da andere Möglichkeiten. Ein Fazit der Geschichte ist: sie setzen sie auch ein.

20.03.2014

Ok, einerseits gebe ich zu, dass das in der Tat gruselig ist. Bei diesem enormen Traffic über Google hätte ich nie gedacht, dass das Team um Matt Cutts auch wirklich derart tief nachforscht. Auf der anderen Seite: selber Schuld. Und irgendwie beschweren sich auch immer wieder nur die Blackhats, dass SEO so kompliziert und nervig geworden ist. Ein Grund für die ständigen und teilweise tiefgreifenden Updates vom Algorithmus ist das Schließen von Lücken, die von Blackhats immer wieder ausgenutzt werden. Soll man sie meinetwegen alle aus dem Index werfen und deren Kunden gleich mit. Welcher Blackhat macht denn nur „privat“ Verbotenes und bei seinen Kunden hält er sich an die Webmaster Guideline?

David Linden
20.03.2014

Hi Ronny,
ich kann nicht erkennen, dass sich dieser eine Blackhat über Google Updates beschwert hat. Ganz im Gegenteil, ich zitiere nochmal das im Artikel genannte Zitat: „Only big big brands or blackhatters like myself stand a chance in this climate.“ Und da stimme ich ehrlich gesagt weitestgehend zu. Für kleinere Seiten und Unternehmen wird die Sache zunehmend kompliziert. Zu dem Thema empfehle ich dir einen Artikel von Jan Kutschera http://www.popularity-reference.de/verlogene-links-und-suchmaschinenmanipulierer/ und meinen Beitrag http://www.seosweet.de/blog/2014/02/06/schon-linkaufbau-oder-noch-pr/
Ich kenne einige Leute die in eigenen Projekten gerne mal Dinge ausprobieren, die bei Kunden tabu sind. Zumal man in Deutschland dabei mittlerweile auch ein Haftungsrisiko bei einer Abstrafung eingehen würde.

04.04.2014

Ich finde das aktuell auch etwas gruselig. Es ist zwar ok für mich, wenn Google nachforscht, was zu wem gehört und echte Blackhats auch abstraft, aber ich beobachte die aktuelle Entwicklung mit Sorge. Teils völlig saubere Seiten, die freiwillig verlinkt wurden (und das ist heutzutage schwer genug) werden runtergestuft. Bei einem Projekt beobachte ich aktuell sogar, dass es mit jedem neuen freiwilligen Link weiter sinkt…. ich bin fast schon so weit, dass ich ab sofort alle anschreibe und öffentlich auf der Seite ausweise, dass unsere Inhalte eben NICHT empfohlen werden sollen. Solange echte Links so einen Schaden anrichten können, macht das Ganze kaum noch Sinn. Kaum verlinkte Seiten (Müll, warum wird auch sonst nichts empfohlen?) ranken heutzutae besser denn je. Traurig, aber leider wahr. Ausnahmen bestätigen die Regel.