Linkaufbau 2.0 oder die Unnatürlichkeit des natürlichen Linkprofils
SEO war früher für viele vor allem eines: Links sammeln. Egal wie, von Kaufen bis Spammen. Es gab genug Menschen die sich mit dem Hochziehen billiger Seiten und dem anschließenden massenhaften Verkauf von Links zwar kein goldenes, aber doch immerhin ein, sagen wir, bronzenes Näschen verdient haben (und wenn man an Bronzenasen reibt bringt das ja angeblich Glück).
Diese Zeiten sind größtenteils vorbei. Google hat den Kampf gegen Linkspam verschärft und seit den Pinguinen und dem Disavow Tool erhält man mehr Anfragen zum Linkab- als zum Linkaufbau. Die sogenannte Linkangst geht um. Und in Folge dessen verliert die OffPage Optimierung, zumindest in der öffentlichen Diskussion, rapide an Wert gegenüber der OnPage Optimierung. Das ist gut, denn die eigene Seite wurde vorher vernachlässigt, dabei ist dies das eigentlich Relevante. Und was ich unseren Kunden immer sage: OnPage hat man alles selbst in der Hand. Trotzdem ist OffSite/OffPage natürlich nicht tot. Backlinks sind immer noch einer der wichtigsten Rankingfaktoren. Google macht dabei nur eine Einschränkung: ’natürlich‘ müssen sie sein.
Was ist ein natürlicher Link?
Hinter der Idee des natürlichen Links steckt die Vorstellung, dass eine Seite von ganz alleine und freiwillig verlinkt wird, wenn sie guten Content bereitstellt. Das ist prinzipiell auch gar nicht falsch, trotzdem verbreitet sich selbst der beste Content nicht von allein. Daher ist die Vorstellung natürlicher Links gerade in der Startphase eines Projekts/einer Website eher ein Ideal als realistisch. Es gibt einen gewissen Grad der Bekanntheit und Reputation, ab dem man nicht mehr selbst tätig werden muss. Diesen aber überhaupt erst einmal zu erreichen ist schwierig. Ist dieser Punkt jedoch erreicht, kommen freiwillige und damit natürliche Links immer häufiger.
Wenn Menschen etwas empfehlen – und nichts anderes ist ein Link – dann machen sie das mit ihren eigenen Worten. Unnatürliche Links lassen sich daher häufig schon an den Ankertexten erkennen, zumindest wenn man viele Links auf einmal betrachtet. Hier kommt das Linkprofil ins Spiel.
Das natürliche Linkprofil
Bei den meisten Links kann man gar nicht feststellen, ob sie natürlich sind oder nicht. Zumindest nicht, wenn man sie einzeln betrachtet. Aus diesem Grund ist Google mit dem Pinguin Algorithmus dazu übergegangen, Linkprofile im Ganzen zu betrachten. Das hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Suchmaschinenoptimierung, in der es nun ebenfalls um die Optimierung von Linkprofilen geht.
Themenrelevanz
Bekannt ist, dass Google bei einem Linkprofil die (thematische) Herkunft der Links betrachtet. Eine Seite über Fotografie sollte vor allem Links von Seiten haben, die sich ebenfalls mit Fotografie beschäftigen. Das ist logisch und insofern natürlich. Wenn ein Viagra Onlineshop auf eine solche Seite verlinkt, sollte man jedoch noch aus anderen Gründen tätig werden. Zur Themenrelevanz gehört natürlich auch die Auswahl der Linkquelle. Massenhafte Links aus Bookmarking Portalen, Webkatalogen, etc. sind nicht natürlich. Im Einzelfall kann das anders sein, aber generell ist davon abzuraten.
Domain und IP-Pop
Neben der thematischen Nähe gibt es auch noch eine technische. Die Domain- und IP-Popularitäten geben an, von wie vielen unterschiedlichen Domains bzw. IPs Backlinks gesetzt wurden. Es ist natürlich, dass einzelne Seiten häufiger verlinken, von daher wäre es unnatürlich, wenn die Domainpopularität ähnlich hoch wäre wie die Linkanzahl. Das ist beim Verhältnis von Domain zu IP-Pop anders. Hier sollte die Anzahl unterschiedlicher Domains nicht allzu stark von denen der IPs abweichen. Denn das kann ein Hinweis auf Linknetzwerke, zumindest aber auf wie auch immer geartete Beziehungen zwischen den Linkgebenden Seiten sein.
Deeplink Ratio
Ein weiterer, wichtiger Wert ist das Verhältnis von Deeplinks zu Homepage-Links. Auf den Unterseiten befindet sich in der Regel der interessante Content, der auch verlinkt wird. Daher wird dieser natürlicherweise auch häufiger verlinkt. Wie sich das Verhältnis ausdrückt ist allerdings abhängig von der Art der Seite. Die Spannweite des natürlichen Anteils der Deeplinks reicht von 40 (Shops) – 90% (Newsportale).
Verhältnis Follow / NoFollow
Der Follow-Link ist eigentlich der normale, natürlich Link. Ganz so weit her ist es bei Google mit der Natürlichkeit in diesem Punkt dann aber doch nicht, denn es möchte gerne, dass bestimmte Links mit NoFollow gekennzeichnet werden. NoFollow geben keine Linkpower weiter. So wird empfohlen, Bannerwerbung und Blogkommentare mit NoFollow zu kennzeichnen. Davon kann man halten was man will. Ein Linkprofil mit ausschließlich Follow Links ist für Google jedenfalls verdächtig, sodass vereinzelt NoFollow Links vorkommen sollten.
Linkposition
Hier kann man eine klare Ansage machen: Backlinks aus Footern sollten nach Möglichkeit gar nicht vorkommen. Linkblöcke und Linklisten (wenngleich das in einem sinnvollen Zusammenhang nützlich sein kann) sollten die Ausnahme sein. Wie auch bei der internen Verlinkung sind Links aus dem Text heraus vor allem anderen zu bevorzugen, denn sie sind die natürlichste Art zu verlinken. Dabei ist selbstverständlich auf einen sinnvollen Satzzusammenhang zu achten, wozu ich aber im nächsten Punkt komme.
Ankertexte
Linktexte bzw. Ankertexte wurden lange Zeit gerne mit Keywords vollgestopft. Das ist nicht nur in den Augen von Google unnatürlich, denn kein Mensch verlinkt so. In einem natürlichen Linkprofil variieren die Linktexte und enthalten nur manchmal harte Keywords. Überhaupt ist der häufigste Linktext normalerweise die Brand bzw. der Seitenname.
Qualität der Linkgeber
Früher war es einfach: Ein Link von einer Seite mit hohem PageRank = gut. Viele Links von Seiten mit hohem PageRank=sehr gut. Das ist heute nicht mehr ganz so. Nicht nur, dass Dinge wie Themenrelevanz eine größere Rolle spielen, sondern auch, dass es natürlicher ist, wenn es mehr Links von Seiten mit niedrigem PageRank gibt, denn das ist einfach die große Masse.
Wie natürlich ist ein natürliches Linkprofil?
Ein guter Link ist ein Link der Besucher bringt, die am besten auch noch konvertieren oder zumindest wiederkommen. Links auf Seiten ohne Besucher, die mit Keywords vollgestopft sind und auf die Startseite verlinken, braucht hingegen kein Mensch. Das hat aber nichts mit SEO zu tun, sondern erstens mit Vernunft und zweitens mit Usability. Googles frommer Wunsch, dass ein Linkprofil natürlich sein solle, ist meiner Meinung nach nur schwer gänzlich zu erfüllen. In der Suchmaschinenoptimierung geht es eher darum, Linkprofile natürlich aussehen zu lassen. Allein schon die Tatsache, dass man die eingehenden Links nach den genannten Kriterien überwachen sollte, ist aus meiner Sicht unnatürlich. Aus diesem Druck der hier erzeugt wird entsteht die Gefahr, dass Links künstlich (!) niedrig gehalten werden. Die Linkangst habe ich bereits angesprochen. Sie ist unnatürlich. Wenn ich auf eine Seite verlinken möchte, weil sie zu meinem aktuellen Thema passt, sollte ich das tun. Und wenn ich einen Link auf meine Seite bekomme, der mir auch noch Besucher beschert und der als Empfehlung zu verstehen ist, dann sollte ich ihn da belassen und nicht versuchen, ihn abzubauen und dabei mit einem Disavow drohen, wie es manche in ziemlich unverschämter Weise versuchen.
Es ist sehr zu empfehlen ein Auge auf das Linkprofil zu haben. Die meisten Risiken kann man mit normalem Menschenverstand bereits ausschließen. Strikt an irgendwelche Empfehlungen halten sollte man sich nicht. Linkaufbau bedeutet heute vor allem eines: PR und Social Media Arbeit. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen, die sich dann – nicht nur, aber auch – in Links ausdrückt. Ziel sollte dabei weniger dieser oder jener Link in dieser oder jener Form sein, sondern die Empfehlung und damit zusammenhängend die Aufmerksamkeit und der Traffic. Dies ist meiner Ansicht nach natürlich. Nur wenige Unternehmen können ohne PR und Marketingmaßnahmen eine größere Aufmerksamkeit erzielen. Wenn Google jetzt hier schon ansetzt, dann erschafft es sich selbst eine künstliche Natürlichkeit.
Also ersteinmal: wirklich toll und informativ geschrieben. Hab viel neues durch den Artikel gelernt.
Ich hab mit dem natürlichen Linkaufbau auch insofern ein Problem, dass man durch gezielt unnatürliche Links doch auch gern mal einen Konkurrenten abwerten lassen kann. Einfach von schlechten Seiten auf ihn verlinken lassen und Zack ist man selbst auf Platz 1 der Suchergebnisse. Wie sollte man sich denn davor schützen?